Category Archives: Aktuell

BGH: Eigenhändiges Testament und Formstrenge

Nimmt ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes, mithin gemäß § 2247 Abs. 1 BGB formwirksam errichtetes Testament auf ein nicht dieser Testamentsform entsprechendes Schriftstück Bezug (hier eine maschinengeschriebene und gesondert unterschriebene Anlage zum Testament, welche die Namen der gewünschten Erben enthält), so wird der Inhalt des formunwirksamen maschinenschriftlichen Schriftstücks nicht Bestandteil des Testaments. Es gilt absolute Formstrenge. Die in einem solchen, der gesetzlich geforderten Testamentsform nicht gerecht werdenden Schriftstück genannten und nur über dieses identifizierbaren Personen werden nicht Erben, so entschied kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 10.11.2021, IV ZB 30/20).

OLG Köln: Keine Pflichtteilsvermeidung durch Rechtswahl

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln kann englisches Recht bei Pflichtteilsberührung wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public trotz gültiger Rechtswahl unanwendbar sein (OLG Köln, Urteil vom 22.04.2021, 24 U 77/20). So entschieden in einem Fall, in dem ein britischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland für seine Rechtsnachfolge das (pflichtteilsfeindliche) englische Recht wählte. Der Umstand, dass die englische Rechtsordnung nahen Verwandten nämlich überhaupt keine Pflichtteils- oder Noterbrechte am Nachlass zugestehe, führe zu einem „Rechtsvakuum“. Gegenüber diesem setze sich das deutsche Recht mit seiner verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassbeteiligung für die Kinder dann aber durch. Bei Pflichtteilsvermeidung durch Rechtswahl ist damit fortan Vorsicht geboten. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.

 

Einzelheiten dazu hier (Link).

Bundestag: Notvertretungsrecht für Ehegatten ab 01.01.2023

Die Abgeordneten des Bundestages haben am 05.03.2021 den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (19/24445) angenommen. Teil der Reform ist die Einführung eines Notvertretungsrechts für Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten. Das Notvertretungsrecht gilt jedoch nur für die Dauer von sechs Monaten und nicht in Vermögensangelegenheiten. Um für eine Notlage umfassend und dauerhaft vorbereitet zu sein, empfiehlt sich daher weiterhin die Errichtung einer Vorsorgevollmacht. Mit der Vorsorgevollmacht kann man eine Vertrauensperson bestimmen, die für einen handelt, wenn man selbst hierzu nicht mehr in der Lage ist. Die Vertrauensperson kann der Ehepartner oder auch eine andere geeignete Person wie z. B. ein VorsorgeAnwalt sein. Gibt es eine ausreichende Vorsorgevollmacht, darf ein Gericht keine Betreuung anordnen und das Notvertretungsrecht durch den Ehegatten gilt nicht. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn dem Notvertretungsrecht durch Eintrag in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer widersprochen wurde.

 

Quelle: Bundesnotarkammer, www.notar.de

OLG Celle: Pflichtteilsrecht – Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis

Das Oberlandesgericht Celle fasste in einer pflichtteilsrechtlichen Streitigkeit kürzlich nochmal die inhaltlichen Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis zusammen, auf dass der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben gem. § 2314 BGB (Link) durch Vorlage eines solchen amtlichen Verzeichnisses erfüllt werden könne (OLG Celle, Beschluss vom 25.03.2021, 6 U 74/20). Der Leitsatz des Gerichts lautet:

 

  1. Nochmals: Der Notar, der ein Nachlassverzeichnis aufzunehmen hat, ist regelmäßig auch zur selbständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen verpflichtet. Ein Verzeichnis, das sich lediglich auf die Beurkundung von Angaben des Erben gegenüber dem Notar beschränkt, erfüllt die Anforderungen nicht.
  2. Inwieweit der Notar bei Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zur Durchsicht von Kontounterlagen verpflichtet ist, insbesondere um zu prüfen, ob im Verwendungszweck „Schenkung“ oder eine ähnliche Formulierung gebraucht ist, oder ob er die Kontoauszüge auf Auffälligkeiten überprüfen muss, die für eine Schenkung sprechen, lässt sich nur für den konkreten Einzelfall bestimmen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Siehe zu alldem schon hier (Link).

OLG Düsseldorf: Kinder im gemeinschaftlichen Testament – meine, Deine, unsere?

Verfügen Ehegatten, die Kinder aus Vorehen hatten, in einem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen, „Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Elternteil sollen die Kinder uns zu ungefähr gleichen Teilen beerben.“, so kann die Auslegung ergeben, dass mit Kinder lediglich die im Haushalt lebenden Kinder des vorverstorbenen Ehemannes gemeint sein sollten und nicht auch das Kind der Erblasserin, zu dem zur Zeit der Errichtung des Testaments kein Kontakt bestand. So kürzlich entschieden vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2020, 3 Wx 198/20).

BFH: Steuerliche Geltendmachung eines verjährten Pflichtteilsanspruchs gegen sich selbst

Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (sog. Konfusion) zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung seines Pflichtteils fiktiv nachzuholen und sich damit steuerrechtlich selbst in Anspruch zu nehmen. Die steuerrechtlichen Nachteile eines Berliner Testaments lassen sich dadurch oft abmildern oder gar vermeiden. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht dabei jedoch nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war (BFH, Urteil vom 05.02.2020, II R 1/16).

 

» Zur Leitsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs

BGH: Gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel und Pflichtteilsergänzung

Die bei einer zweigliedrigen, vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbarte Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kann eine pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkung im Sinne von § 2325 Abs. 1 BGB sein (BGH, Urteil vom 03.06.2020, IV ZR 16/19).

 

» Zur Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs

OLG Köln: Erfüllung eines Nießbrauchvermächtnisses mittels postmortaler Vollmacht

Bei der Eintragung eines Nießbrauchs an einem Grundstück mittels einer postmortalen Vollmacht zur Erfüllung eines Nießbrauchvermächtnisses bedarf es der Voreintragung der Erben im Grundbuch. § 40 GBO findet keine Anwendung (OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2019, Az. 2 Wx 343/19).

Die dabei entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob ein postmortal Bevollmächtigter ohne Voreintragung der Erben ein Nießbrauchvermächtnis durch Bewilligung der Eintragung des Nießbrauchs erfüllen kann, hat grundsätzliche Bedeutung und stellt sich in einer Vielzahl von Fällen. Bislang gibt es zu dieser Frage aber offenbar keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Oberlandesgericht Köln hat daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Corona: Erstberatung jetzt auch per Telefon und Videokonferenz

Ihre Gesundheit und die unserer Mitarbeiter liegt uns am Herzen – aus aktuellem Anlass bieten wir Ihnen unsere Erstberatung ab sofort auch telefonisch oder als Videoanruf via Skype oder Zoom an. Bitte sprechen Sie unser Sekretariat im Rahmen der Terminvergabe auf diese Möglichkeit an, falls Sie daran Interesse haben. Im Übrigen gelten die üblichen Hygiene- und Abstandsregeln.

OLG Düsseldorf: Ehegattenerbrecht im Scheidungsverfahren

Das Oberlandesgericht Düsseldorf äußerte sich kürzlich zur Frage des Ausschlusses des gesetzlichen Ehegattenerbrechts bei einem anhängigen Scheidungsverfahren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2019, 3 Wx 182/19).

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten war in jenem Fall nicht gemäß § 1933 BGB ausgeschlossen, weil im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, der die Scheidung beantragt hatte, nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war, er und seine Ehefrau würden die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig nicht wiederherstellen. Das Gericht vermochte keine endgültige Distanzierung von der Ehe mit Blick auf die Pflege von Seiten der Ehefrau und deren Annahme durch den Erblasser zu erkennen. Der Volltext des Beschlusses mit Sachverhalt ist hier abrufbar.

Das Erbrecht ist nach § 1933 BGB nur ausgeschlossen, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten gewesen ist. Soweit daher die Vermutungen des § 1566 BGB – einjährige Trennung und beiderseitiger Scheidungsantrag bzw. Zustimmung des Antragsgegners oder dreijährige Trennung – nicht greifen, hat das Gericht prognostisch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Auch im Trennungsfall und Scheidungsverfahren sollte daher stets eine Testamentserrichtung erwogen werden, um ungewünschte Ergebnisse betreffend die eigene Nachfolge zu vermeiden.