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Zum Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers in ein Testament

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte kürzlich folgenden Fall zu entscheiden: Der Erblasser hatte in seinem eigenhändigen Testament in einer längeren Liste unter einzelnen Ziffern Vermächtnisse zugunsten verschiedener Bedachter angeordnet. Weiter hatte er einen „Haupterben“ bestimmt. Ein mit einem Reihenhaus vermächtnisweise Bedachter versprach sich nun offenbar eine höhere Nachlassbeteiligung: Aufgrund der Begrifflichkeit „Haupterbe“ müsse es auch weitere „Miterben“ geben können – und aufgrund des vergleichsweise hohen Wertes des ihm Zugewandten könne dafür eigentlich nur er in Betracht kommen. Zur weiteren Beurteilung dieser seiner – im Ergebnis nicht durchgreifenden – Auffassung begehrte er Einsicht in das ganze Testament, nicht nur in die nur ihn betreffenden Teile. Das Nachlassgericht wies seinen Antrag zurück.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf gewährte ihm auf seine Beschwerde hin ein umfangreicheres Einsichtsrecht in die Nachlassakte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.2016, I-3 Wx 115/16). Es begründete dies damit, dass das Testament aufgrund seines Wortlauts „Haupterbe“ zumindest im Ansatz auslegungsbedürftig sei. Die damit einhergehende Unsicherheit könne erst mit Kenntnis des ganzen Testaments ausgeräumt werden. Wenn das Nachlassgericht eine Erbenstellung des Vermächtnisnehmers mithin ablehne, so müsse er in die Lage versetzt werden, diese Wertung des Nachlassgerichts aufgrund eigener Beurteilung nachvollziehen zu können. Daher sei ihm ein umfangreicheres Einsichtsrecht als sonst zu gewähren, die nur ihn betreffende Ziffer des Testaments und die Haupterbenbenennung alleine würden dem Beschwerdeführer bei seiner Beurteilung nicht weiterhelfen. Die Namen weiterer Bedachter oder die Frage der Echtheit des Testaments hätten dabei aber wiederum außen vor zu bleiben, weil es auf diese für die Wertung des Testamentsinhalts im Sinne des Vermächtnisnehmers nicht ankäme.

Steuerbefreiung für Familienheim und Nießbrauchsvorbehalt

Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG entfällt rückwirkend, wenn der längerlebende Ehegatte oder Lebenspartner das Familienheim als Erwerber von Todes wegen zwar weiterhin zu eigenen Wohnzwecken nutzt, das Eigentum daran aber innerhalb der Behaltensfrist von zehn Jahren unter Nießbrauchsvorbehalt auf ein Kind weiterüberträgt, obwohl das Kind seinerseits steuerbegünstigt i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG hätte erwerben können. Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden (FG Münster, Urteil vom 28.09.2016, 3 K 3757/15 Erb).

Das Finanzgericht führte zur Begründung aus, gesetzgeberisches Grundanliegen sei, mit den Steuerbefreiungsvorschriften neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums das Familiengebrauchsvermögen krisenfest zu erhalten; der Erwerber solle nicht gezwungen sein, seine Eigentümerposition aufzugeben, um die Erbschaftsteuer entrichten zu können. Letzteres lasse sich aber sinnvollerweise nur verwirklichen, wenn die Steuerbefreiung an die Eigentümerstellung und nicht lediglich an die Selbstnutzung zu Wohnzwecken geknüpft ist. Das Finanzgericht hat damit die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt. Die vom Finanzgericht zur Fortbildung des Rechts zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig (BFH II R 38/16). Bis zu einer dortigen Entscheidung kann dem steuerbegünstigten Erwerber eines Familienheims somit nur geraten werden, dieses mindestens zehn Jahre als Eigentümer weiter selber zu nutzen, wenn er eine Nachversteuerung vermeiden will.

Neues Österreichisches Erbrecht 2017

Beginnend mit dem 01.01.2017 tritt in Österreich der überwiegende Teil des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 in Kraft. Die wesentlichen Neuerungen für nach österreichischem Recht zu behandelnde Todesfälle ab dem 01.01.2017 sind:

Pflegevermächtnis: Nahe Angehörige erhalten für die Pflege an dem Verstorbenen ein gesetzliches Vermächtnis, wenn sie ihn in den letzten drei Jahren vor dem Tode mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt haben.

Außerordentliches Erbrecht von Lebensgefährten: Gibt es keine gesetzlichen oder testamentarischen Erben, erbt der Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin, wenn die letzten drei Jahre ein gemeinsamer Haushalt bestand.

Automatische Aufhebung von Testamenten bei Scheidung: Testamente zugunsten des früheren Ehegatten / Lebenspartners / Lebensgefährten gelten als aufgehoben, wenn die Verbindung aufgelöst wird und keine Fortgeltung in dem Testament angeordnet ist. Gleiches gilt bei Aufhebung von Abstammung oder Adoption.

Einschränkung des Kreises pflichtteilsberechtigter Personen: Die Erbrechtsreform beseitigt das Pflichtteilsrecht der Eltern und weiterer Vorfahren.

Pflichtteilsstundung: Vor allem zu Zwecken der Erhaltung von Familienunternehmen oder Familienheimen kann der Pflichtteil auf Anordnung des Erblassers oder auf Verlangen des Erben durch ein Gericht für die Dauer von fünf Jahren, in besonderen Fällen längstens zehn Jahren, gestundet werden.

Pflichtteilsentzug: Der Katalog der absoluten Enterbungsgründe wird um schwere Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen sowie grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis erweitert, wohingegen der Enterbungsgrund der beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart entfällt.

Elterliche Sorge: Beschränkung der Vermögenssorge und Erbschaftsausschlagung

Mit Beschluss vom 29.06.2016 hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der in einer letztwilligen Verfügung – hier einem handschriftlichen Testament – gemäß § 1638 BGB angeordnete Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft ausschließt. Die von einem ausgeschlossenen Elternteil im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung einer Erbschaft ist mangels Vertretungsmacht unwirksam (BGH, Beschluss vom 29.06.2016, XII ZB 300/15).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wendet sich damit gegen die Vorinstanzen Oberlandesgericht München und Amtsgericht Wolfrathausen und ist anderer Auffassung als die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Einigkeit besteht zumindest darin, dass eine Beschränkung der elterlichen Vermögenssorge auch die Geltendmachung des Pflichtteils für das Kind durch einen Elternteil ausschließt.

Testamentsvollstreckung: Nachweis der Verfügungsbefugnis im Grundbuchverfahren

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 11.07.2016 entschieden, dass ein Testamentsvollstrecker seine Verfügungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt durch Vorlage eines öffentlichen Testaments und der Eröffnungsniederschrift zusammen mit der Erklärung der Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht nachweisen kann (OLG München, Beschluss vom 11.07.2016, 34 Wx 144/16). Das Gericht führt dazu aus:

Der Testamentsvollstrecker übt sein Amt aus eigenem Recht gemäß dem letzten Willen des Erblassers und dem Gesetz selbständig aus. Seine Verfügungsbefugnis hat er grds. durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis nachzuweisen, wobei nach § 35 Abs. 1 S. 2 GBO auch eine notarielle Verfügung von Todes wegen samt Eröffnungsprotokoll ausreichend ist. Weiter muss er dann nur noch seine Amtsannahme in grundbuchtauglicher Form nachweisen. Eine privatschriftliche Erklärung genügt dieser Form zwar nicht, ein Zeugnis des Nachlassgerichts über die Amtsannahme oder eine gerichtliche Niederschrift über die Annahmeerklärung sind jedoch ausreichend. Der Beantragung eines teuren Testamentsvollstreckerzeugnisses oder gar eines Erbscheins bedarf es in diesen Fällen nicht.

Pflichtteilsrecht: Ermittlungsumfang bzgl. lebzeitiger Schenkungen

Das Oberlandesgericht Stuttgart stärkte dieses Jahr die Auskunftsrechte des Pflichtteilsberechtigten und stellte fest: Zur Ermittlung lebzeitiger pflichtteilsergänzungsrelevanter Schenkungen des Erblassers hat der Erbe insbesondere auch die vollständigen Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum vor dem Erbfall einzusehen und die einen bestimmten Betrag übersteigenden Vermögensabflüsse zusammenzustellen, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zu Grunde liegen könnten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.01.2016, 19 W 78/15).

Hintergrund: Der Erbe ist Schuldner des Pflichtteilsanspruchs. Damit der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche gegen den Erben beziffern kann, hat der Erbe ihm über den Nachlassbestand zum Todestag Auskunft zu erteilen, § 2314 BGB. Soweit das Vermögen des Erblassers bereits zu dessen Lebzeiten durch Schenkungen erheblich geschmälert wurde, kann der Pflichtteilsberechtigten auch einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch haben, § 2325 BGB. Der in § 2314 BGB verankerte Auskunftsanspruch bezieht sich daher auch auf die möglicherweise pflichtteilsergänzungsbedürftigen Schenkungen des Erblassers. Die Einsichtnahme in die Kontoauszüge für zehn Jahre vor dem Tod gehört nach Auffassung des Gerichts dabei zu den grundlegenden Maßnahmen eigener Wissensbeschaffung durch den Erben.

Erbnachweis gegenüber Bank durch privatschriftliches Testament

Mit Urteil vom 05.04.2016 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist und es keine konkreten und begründeten Zweifel an der Gültigkeit des Testaments und an seinem Inhalt gibt (BGH, Urteil vom 05.04.2016, XI ZR 440/15). Besteht eine Bank dennoch auf Vorlage eines Erbscheins, kann sie damit gegen ihre kontovertragliche Leistungstreuepflicht verstoßen und dem Erben daher zur Erstattung der für die Erbscheinserteilung angefallenen Gerichtskosten verpflichtet sein.

Pflichtteil: Verjährungshemmende Stundung des Pflichtteilsanspruchs

Bittet ein Erbe einen Pflichtteilsberechtigten, den Pflichtteil vorläufig nicht geltend zu machen, da zur Erfüllung des in Geld zu zahlenden Pflichtteils der Erbe ansonsten seine selbstgenutzte Immobilie zu veräußern gezwungen wäre, so kann in dieser Bitte ein Stundungsersuchen liegen. Verhält sich der Pflichtteilsberechtigte entsprechend der Bitte, so liegt eine – verjährungshemmende – Stundungsvereinbarung nahe, die im Zweifel auch die Stundung des mit dem Pflichtteil verbundenen Auskunftsanspruchs umfasst; so entschieden vom Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 15.10.2015 (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2015, 9 U 149/14). Insbesondere verwies das Gericht in den Entscheidungsgründen auch auf die gesetzliche Regelung in § 2331 a BGB, die den Abschluss einer Stundungsvereinbarung nahelege, wenn eine Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben voraussichtlich nur durch Veräußerung seines wichtigsten Vermögensgegenstand, hier der selbstgenutzten Eigentumswohnung, möglich ist.

Digitaler Nachlass: Facebook-Account

Mit Urteil vom 17.12.2015 hat das Landgericht Berlin entschieden, dass die Eltern einer minderjährig Verstorbenen als deren Erben von Facebook (hier Facebook Ireland Ltd.) die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto herausverlangen können (LG Berlin, Urteil vom 17.12.2015, 20 O 172/15). Das mit dem Nutzungsvertrag einhergehende Recht, auf die Server von Facebook zuzugreifen, gehe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf die Erben über, weil auch dieses Vertragsverhältnis Vermögen im Sinne des § 1922 BGB sei. Ein weiterer sachenrechtlicher Bezug bzw. eine Materialisierung von Kommunikationsinhalten sei für die Vererbbarkeit von Ansprüchen aus Verträgen nicht erforderlich, weil das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge auch für die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass des Erblassers gelte; eine Abgrenzung zu den vermögensrechtlichen Teilen des digitalen Nachlasses sei praktisch nicht möglich und dem Erbrecht – im Hinblick auf die Vererblichkeit z. B. auch von Tagebüchern und Familienpapieren – fremd. Eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des minderjährigen Erblassers käme weiter nicht in Betracht, wenn der Erbe zugleich Sorgeberechtigter war. Auch datenschutzrechtliche Einwände griffen nicht durch.

 

» Zur Pressemitteilung des Landgerichts Berlin

Pflicht zur Rechnungslegung bei Vorsorgevollmacht

Der Bevollmächtigte, dem eine Vorsorgevollmacht erteilt wurde, ist grundsätzlich verpflichtet, über die im Rahmen der Vorsorgevollmacht getätigten Geschäfte Rechnung zu legen und die ordnungsgemäße Verwendung der ihm anvertrauten Mittel zu belegen und nachzuweisen. Nur in absoluten Ausnahmefällen entfällt diese Verpflichtung.

In einem vom Oberlandesgericht Schleswig entschiedenen Fall hatte die beklagte Tochter, der von der Mutter eine Bankvollmacht und eine Vorsorgevollmacht erteilt worden war, von der Mutter den Auftrag bekommen, Goldbarren zu kaufen und der Mutter zu übergeben. Nach dem Tod der gemeinsamen Mutter bestritt die weitere Tochter die Übergabe der Goldbarren, weil diese im Nachlass nicht aufzufinden waren. Schließlich verklagte sie ihre Schwester auf Auskunft über das Geschäft und Herausgabe der Goldbarren, hilfsweise auf Zahlung des Gegenwerts. Dem Hilfsantrag wurde stattgegeben, weil die Goldbarren auch weiterhin verschwunden blieben und die Übergabe der Goldbarren an die Mutter nicht bewiesen werden konnte (OLG Schleswig, Urteil vom 18.03.2014, Az. 3 U 50/13).

Auch im engsten Familienkreis empfiehlt es sich daher, den Erhalt wesentlicher Leistungen durch Quittung belegbar zu machen.